Das Umsatzplus der Branche von 4,2 % auf 11,74 Mrd. € setzt sich aus einem Zuwachs im Inlandsgeschäft von 3,3 % und einem Exportanstieg von 6,3 % zusammen. Die Reifenhersteller konnten den Umsatz um 3,3 % erhöhen, die Hersteller von Technischen Elastomer-Erzeugnissen (TEE) um 4,9 %. Ausschlaggebend für das Umsatzplus war in erster Linie nicht eine Absatzsteigerung, sondern massive Rohstoffpreiserhöhungen, insbesondere im 1. Halbjahr 2017. Die Verkaufserlöse wurden also wesentlich durch die Rohstoffpreise bestimmt. Bei TEE setzte zusätzlich die stetig steigende Nachfrage nach TPE-Produkte positive Impulse.
Im Einzelnen: Die Reifenhersteller konnten den Stückabsatz in der Summe von Reifen-Erstausrüstung und –Ersatzbedarf nur marginal ausweiten. Im Inland ging 2017 die Fahrzeugproduktion zurück – die Reifen-Erstausrüstung korreliert hier stark – und der Ersatzbedarf in Deutschland zeigt sich weiterhin gesättigt. Daran ändert auch der Trend zu Ganzjahresreifen, der sich seit 2016 verstärkt abzeichnet, in Summe nichts.
Für die Hersteller von TEE – überwiegend industrielle Zulieferer – erwiesen sich die gute Binnenkonjunktur in der Bauwirtschaft und beim Maschinenbau als stabile Stützen des Inlandsgeschäfts. Die Aufträge aus der Automobilindustrie konnten dagegen im Inland nicht an das Vorjahr heranreichen. Kompensation brachten zum Teil kräftig steigende Bestellungen von europäischen Handelspartnern sowie eine insgesamt gegenüber 2016 verbesserte Weltkonjunktur.
Neben dem Aspekt, dass die Automobilindustrie im Inland in Summe weniger Aufträge abrief, stellte ein veränderter Auftragsmix zunehmende Anforderungen an die Unternehmen der deutschen Kautschukindustrie. Einem massiven Rückgang der Dieselnachfrage in Deutschland stand eine erhöhte Produktion von Benzin getriebenen Fahrzeugen gegenüber und erhöhte den Bedarf entsprechender Zulieferkomponenten bei gleichzeitiger Reduzierung geplanter Zulieferteile für Dieselfahrzeuge.
Die skizzierte Situation führte dazu, dass bei vielen Automobilzulieferern der Branche auf der einen Seite ganze Produktionslinien nur schwach ausgelastet waren, während bei anderen Prozessen die Kapazitäten nicht ausreichten. Insgesamt lag die Kapazitätsauslastung der Branche 2017 um gut 4 Prozentpunkte höher als 2016. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass durch eine Reifen-Werksschließung Mitte des Jahres die verfügbare Kapazität gesunken ist.
Die Inlandsinvestitionen der deutschen Kautschukindustrie sind 2017 zwangsweise überproportional gestiegen. Angesichts der bereits spürbaren (Diesel) und absehbaren (E-Mobilität) Veränderungen in der Automobilindustrie, getrieben von Anforderungen aus der Digitalisierung von Prozessen und Produkten sowie deutlich erhöhten Zertifizierungsanforderungen (z.B. Nachhaltigkeit, IT-Sicherheit) sind die Unternehmen der deutschen Kautschukindustrie gezwungen, ihre Investitionsausgaben zu erhöhen. 2017 stiegen die Investitionen um knapp 14 %.
Die in Summe reduzierte Fertigungskapazität von Reifen am Standort Deutschland spiegelt sich in einem 2017 rückläufigen Produktionsvolumen. Bei TEE erfreut sich das noch junge Segment von TPE-Produkten eines zweistelligen Wachstums und trägt damit das Produktionswachstum insgesamt. Bei klassischen TEE war trotz guter Konjunktur in 2017 im Branchendurchschnitt allenfalls Stillstand zu verzeichnen. Die nachlassende Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland im internationalen Vergleich – auch bei unternehmensinternen Benchmarks zwischen Fertigungsstätten – schlägt hier zu Buche: wesentliche Einflussfaktoren sind im internationalen Vergleich hohe Energie- und Lohnkosten, strengere Auflagen bei Emissionen und (externen) Qualitätsprüfungen sowie Einschränkungen der Kreislaufwirtschaft insbesondere von Reifen (vgl. wdk-Positionen: www.wdk.de).
Ein weiterer limitierender Faktor für eine Bestandssicherung am Industriestandort Deutschland stellt für die Unternehmen der deutschen Kautschukindustrie die Angebotssituation auf dem Arbeitsmarkt dar. Viele Unternehmen suchen vergeblich geeignete Fachkräfte.
Für das laufende Jahr erwartet die Branche eine Verschärfung der existenziellen Anforderungen an die Unternehmensausrichtung. Der positive gesamtwirtschaftliche Konjunkturzyklus entlastet die Unternehmen und sorgt nicht für zusätzlichen Druck auf die angespannte Ertragslage. Dieser könnte sich allerdings bei den künftigen Lohnkosten auftun. Auch der wirtschaftspolitische Kurs der neuen Bundesregierung beinhaltet kaum industriepolitische Maßnahmen zur Stärkung des Produktionsstandortes Deutschland und der mittelständischen Industrie.
In diesem komplexen Umfeld erscheint aktuell ein Umsatzplus von maximal 2 % realisierbar.