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Pressemeldung vom 23. Februar 2022

Deutsche Kautschukindustrie 2021/2022: Noch immer stark gestörtes Geschäftsumfeld – Ukraine-Eskalation verschärft Energiepreiskrise

Das Jahr 2021 ist für die deutsche Kautschukindustrie erneut ein sehr ungewöhnliches Jahr mit schnell wechselnden Phasen wirtschaftlicher Aufholprozesse sowie konjunktureller Rückschläge gewesen. Was sich schon in der zweiten Jahreshälfte 2020 abzeichnete, bestätigte sich 2021: Der Lockdown großer Teile der Industrie war definitiv einfacher zu realisieren, als der schnelle Wiederanlauf. Nach Angaben des Wirtschaftsverbands der deutschen Kautschukindustrie (wdk) häuften sich die Engpässe und Hindernisse bei der Materialbeschaffung. „Die Lieferkette stockte zum einen durch Logistikstaus sowohl im Schiffs- als auch im Straßengüterverkehr. Zum anderen kam es zu einer nie zuvor dagewesenen Anzahl und Frequenz von Force Majeure-Meldungen bei Vorprodukten der Kautschukverarbeitung. Corona war dabei nur eine der Ursachen. Dazu kamen Naturkatastrophen, Betriebsunfälle und Maschinenschäden.“, erläutert Michael Berthel, Chef-Volkswirt des Verbands.

Die Unternehmen der deutschen Kautschukindustrie mussten größte Anstrengungen unternehmen, die Lieferkette aufrecht zu erhalten. Dies gelang zwar, brachte aber längere Lieferzeiten und insbesondere enorme Preissteigerungen der benötigten Rohmaterialien mit sich.

Die Rohstoffpreise sind im Jahr 2021 in der Breite (für nahezu alle Rohstoffe) massiv gestiegen – und zwar kontinuierlich. Im 4. Quartal lagen die Preise um bis zu 80 Prozent über denen des Vorjahresquartals und im Vergleich des Jahresmittels 2021 zu 2020 um bis zu 65 Prozent höher. Zum Jahresbeginn 2022 haben die Preise dann einen weiteren kräftigen Sprung nach oben gemacht.

Gleiches gilt für die Energiepreise, die gegen Jahresende 2021 exponentiell anstiegen. Die Eskalation des Russland-Ukraine-Konflikts lässt die Risikoprämien aktuell dramatisch steigen. Das ohnehin extrem sensible Thema exorbitanter Energiepreise spitzt sich dadurch weiter zu.

Zu diesem Gesamtbild müssen die gravierenden Lieferschwierigkeiten in der Automobilindustrie bei Halbleitern hinzugefügt werden. Der Halbleitermangel hat das weltweite Produktionsvolumen von Fahrzeugen um mehr als 10 Prozent im Jahr 2021 reduziert – und das gegenüber dem historischen Tiefstand des Jahres 2020. Gerade in den letzten vier Monaten des Jahres 2021 standen immer wieder außerplanmäßig Produktionslinien oder ganze Werke von Fahrzeugherstellern still. Das hat die Nachfrage nach Komponenten aus der Kautschukindustrie enorm reduziert – für Technische Elastomer-Erzeugnisse (General Rubber Goods) und Reifen.

Die Geschäftsentwicklung der Unternehmen der deutschen Kautschukindustrie unterschied sich 2021 je nach Spezialisierung deutlich. Im Geschäft mit non-automotiven Produkten war 2021 durchgängig ein Erholungsprozess zu verzeichnen, der zu einem Umsatzzuwachs von 13,6 Prozent auf knapp 3,5 Milliarden Euro führte. Ohne die Störungen der Wertschöpfungskette hätte der Zuwachs noch weitaus höher liegen können – eine entsprechende Nachfrage war gegeben.

Im Reifenersatzgeschäft gab es laut Berthel zwar eine Erhöhung der Um- und Absätze gegenüber 2020, das Volumen der Vorjahre bis 2019 wurde aber weiterhin deutlich verfehlt.

Die Automobilzulieferer der Branche konnten nach einem verheißungsvollen Jahresauftakt mit zweistelligen Umsatzzuwächsen im Gesamtjahr 2021 nur ein marginales Plus gegenüber dem schwachen Jahr 2020 erwirtschaften. Spätestens ab August/September drehten die Umsatzzahlen ins Minus – das Inlandsgeschäft sank auch insgesamt unter das Vorjahresniveau. Durch die Unwuchten in der Prozesskette – mit in der Folge extremen Kostensteigerungen, die kaum an die Kunden weitergegeben werden können, sowie Umsatzeinbrüchen – steigt das Insolvenzrisiko der Automobilzulieferer der Branche.

Alles in allem lag der Branchenumsatz im Jahr 2021 bei knapp 10 Milliarden Euro. Das Umsatzvolumen vor der Pandemie – der Branchenumsatz 2019 betrug rund eine Milliarde Euro mehr – wurde bei weitem verfehlt.

Zum Jahreswechsel 2021/2022 ist die wirtschaftliche Situation immer noch paradox. Hohe politische und konjunkturelle Unsicherheiten belasten eine nachhaltige Erholung. Auch der anhaltende Einfluss der Corona-Pandemie im weiteren Jahresverlauf ist nicht abschätzbar. Die Unternehmen der deutschen Kautschukindustrie bewegen sich weiterhin in einem immer noch stark gestörten Geschäftsumfeld.

Die Ergebnisse der wdk-Jahresumfrage 2022 unterstreichen die Einschätzung einer in Teilen fragilen, in Teilen robusten Branchenkonjunktur. Im Vergleich zum Ende des vergangenen Jahres hat sich die Unruhe und hohe Volatilität auf der Beschaffungsseite keineswegs entspannt und auch die Nachfragesituation ist wenig verändert.

Unternehmen und Verband prognostizieren für 2022 einen Branchen-Umsatzzuwachs von 7 Prozent. Das kann allerdings angesichts der vielen Risiken für die Branchenkonjunktur nur ein Richtwert unter den aktuell bekannten Rahmenbedingungen sein.

Der Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie e.V. (wdk) ist die Spitzenorganisation der deutschen Hersteller von Bereifungen und Technischen Elastomer-Erzeugnissen. Er vertritt rund 200 Unternehmen mit etwa 70.000 Beschäftigten und einem Gesamtjahresumsatz von zehn Milliarden Euro.