Im Februar 2019 hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier seine nationale Industriestrategie vorgestellt. Auf der damaligen Pressekonferenz betonte der CDU-Politiker, das Papier sei mit viel Nachdenken geschrieben worden und er habe sich bei jedem Satz etwas gedacht. Gedacht hatte er dabei offenbar aber vor allem an die Großen. Denn seine Industriestrategie zielt vor allem auf die „nationalen Champions“, also die Großunternehmen. Deren Überleben liege im nationalen politischen und wirtschaftlichen Interesse.
Dabei sind es gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft und damit des Wohlstands in diesem Land bilden. Die Zahlen sprechen hier eine deutliche Sprache: Im Jahr 2016 waren über 17 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei mittelständischen Unternehmen beschäftigt. Das waren fast sechzig Prozent! Mittelständler tragen auch deutlich zur Wirtschaftskraft bei: Nettowertschöpfung liegt der Anteil bei knapp 54 Prozent.
Kein Wunder, dass mittelständische Verbände ihren Unmut über diese etwas einseitige Industriestrategie lautstark äußerten. Dieser Protest zeigte offensichtlich Wirkung. Anfang Oktober legte Altmaier unter dem Titel „Wertschätzung, Stärkung, Entlastung“ seine Mittelstandsstrategie vor. Darin enthalten ist ein ganzer Reigen an möglichen Maßnahmen. Möglich deshalb, weil einige Maßnahmen – wie etwa eine Reform des Arbeitszeitgesetzes – mit dem Koalitionspartner SPD wohl kaum umzusetzen sein dürften.
Während eine Stärkung des Unternehmertums oder ein Bürokratieabbau auf jeden Fall zu begrüßen sind, ist die Mittelstandsstrategie im Bereich der Stromkosten, der für die Unternehmen der deutschen Kautschukindustrie sehr wichtig ist, etwas schwach auf der Brust. Sätze wie „Zeitgleich mit dem Einstieg in die CO2-Bepreisung werden Bürger und Wirtschaft beim Strompreis entlastet.“ oder „Durch die Reduzierung der EEG-Umlage werden besonders Familien- und kleine mittelständische Unternehmen entlastet.“ klingen ein wenig nach “Copy and Paste”. Schließlich soll es in dem Papier ja um eine Strategie für den Mittelstand und nicht für Familien oder Bürger gehen. Und aus industrieller Mittelstandssicht gilt: Eine spürbare Entlastung der Industrieunternehmen von Abgaben und Umlagen auf elektrischen Strom ist dringend erforderlich. Ankündigungen sind schön, Umsetzungen aber besser. Oder, um mit Marie von Ebner-Eschenbach zu sprechen: „Für das Können gibt es nur einen Beweis: Das Tun.“