Der Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie e.V. (wdk) setzt sich seit vielen Jahren für eine verantwortungsvolle Beschaffung von Rohstoffen und Dienstleistungen in der Kautschukindustrie ein. Um die Umsetzung dieses Ziels voranzutreiben, kooperiert der wdk nun mit Together for Sustainability (TfS), einer internationalen Non-Profit-Initiative, deren Ziel es ist, Nachhaltigkeitspraktiken in globalen Lieferketten zu bewerten, zu auditieren und zu verbessern. Der wdk empfiehlt die TfS PCF Guideline als Standard für die Berechnung des Scope 3 Carbon Footprints.
Im Gespräch mit TfS erläutert wdk-Hauptgeschäftsführer Boris Engelhardt die Hintergründe.
Könnten Sie zunächst den wdk und Ihre Rolle im Verband kurz beschreiben?
Der Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie, gegründet 1894, ist heute die wirtschaftliche, technische und politische Vertretung der Kautschukindustrie und ihrer Zulieferer auf dem deutschen Markt und vertritt seine 200 Mitgliedsunternehmen auch auf globaler Ebene. Sein Hauptziel ist die Sicherung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit seiner Mitgliedsunternehmen: Hersteller von Gummiwaren mit Produktionsstätten in der EU oder Großbritannien und deren Zulieferer. Der wdk hat seinen Sitz in Frankfurt am Main und eine Geschäftsstelle in Berlin. Ich habe das Vergnügen, diesem Netzwerk und seinen Zielen seit 2011 als Hauptgeschäftsführer zu dienen.
Die Industrie muss dekarbonisiert werden. Können Sie uns den Weg der Dekarbonisierung der Kautschukindustrie erläutern?
Historisch gesehen war der Ursprung aller Gummiprodukte Naturkautschuk. Naturkautschuk ist ein agroforstwirtschaftliches Produkt mit einem “Kohlenstoff-Handabdruck” – ein positiver Beitrag zum Weltklima. Kautschukbäume binden Kohlendioxid, bevor der Kautschuk, der aus ihnen gewonnen wird, exportiert und irgendwo auf der Welt dann verarbeitet wird. Naturkautschuk ist heute der einzige biobasierte Rohstoff, der von der EU als kritisch eingestuft wird. Kritische Rohstoffe sind für unsere moderne europäische Gesellschaft unverzichtbar. Neben Naturkautschuk wird in unserer Industrie seit dem frühen 20. Jahrhundert auch synthetischer Kautschuk industriell verarbeitet.
In vielen Produkten unseres täglichen Lebens sind Kautschukprodukte enthalten – verglichen mit dem Endprodukt aber oft nur in relativ kleinen Anteilen. Sie lassen sich meist nicht durch andere Materialien ersetzen. Oder nur um den Preis eines wesentlich höheren CO2-Fußabdrucks bei der Alternativlösung. Dennoch: Die Berechnung und Reduzierung des Carbon Footprints von Produktion und Endprodukten ist heute ein großes Thema für unsere Branche. Und fast jedes kautschukproduzierende und -verarbeitende Unternehmen innerhalb unseres Netzwerks beschäftigt sich mit der Berechnung, Bewertung und Erfassung seines Carbon Footprints. Dabei stellt die Erfassung des Carbon Footprints von Roh- und Hilfsstoffen in der vorgelagerten Wertschöpfungskette eines oder sogar DAS große Hindernis dar. Unsere Industrie ist mit großem Engagement dabei, ihre Produkte ganz neu zu denken, angefangen bei der Entwicklung jeder einzelnen Komponente.
Die Arbeit der Expertenteams in unseren Forschungs- und Entwicklungsabteilungen zielt nicht nur darauf ab, Rohstoffe durch klimafreundlichere Alternativen zu ersetzen. Sie berücksichtigt auch die gesamte Gebrauchsdauer des fertigen Gummiprodukts. Dieser Teil des Lebenszyklus hat oft einen erheblichen Einfluss auf den Energiebedarf der jeweiligen Anwendung. Ein gutes Beispiel sind Reifen, die wesentlich zur Kraftstoffeffizienz von Fahrzeugen beitragen. Andere Erzeugnisse unserer Industrie wie Komponenten für Windturbinen sind unverzichtbar für den Übergang zu einer klimaneutralen Gesellschaft.
In der chemischen Industrie tragen die Scope-3-Emissionen wesentlich zum Carbon Footprint des Unternehmens bei. Welche Rolle kann die TfS PCF-Richtlinie hier für die Kautschukindustrie spielen?
Als wir als Verband vor einigen Jahren den “Erfahrungsaustausch Carbon Footprint” starteten, wurde uns schnell klar, dass verlässliche und vergleichbare Daten das entscheidende Element sind, um den Carbon Footprint als Wettbewerbselement in der Wirtschaft einzuführen. Seit nunmehr vier Jahren führen wir einen Dialog mit Herstellern und Zulieferern unserer Branche. In Anbetracht der Notwendigkeit, die Datenverfügbarkeit zu verbessern, haben wir selbst das Projekt “Elastomer CO2 Meta-Database” für die Kautschukindustrie gestartet. Unser Plan: Daten zum CO2-Fußabdruck für alle denkbaren Rohstoffe, die bei der Verarbeitung verwendet werden, zu sammeln und damit Standards für das Scope-3-Protokoll zu definieren. Und wir hatten vor, diese “Meta-Datenbank” allen Kautschukverarbeitern zugänglich zu machen, damit bei der Berechnung des PCF in unserer Branche alle identische Ausgangsbedingungen haben. Das hat sich leider als Wunschdenken herausgestellt. Und wir haben unsere Lektion gelernt! Denn aufgrund des Mangels an Daten in der vorgelagerten Lieferkette, aber auch aufgrund der Ausgangssituation mit unterschiedlichen miteinander konkurrierenden Berechnungsmodellen erhielten wir nicht den notwendigen Input. Wir waren noch nicht einmal in der Lage, überhaupt eine Datenbank anzulegen! Die TfS-Richtlinie führt nun aus meiner Sicht zu dem, was wir bereits zuvor zu etablieren versucht haben. Sie stellt eine Vergleichbarkeit her – da jeder Teilnehmer die gleiche Berechnungsmethode anwendet. Und durch seine starken Mitgliedsunternehmen kann TfS vielleicht sogar eine Akzeptanz bei den großen Auftraggebern – insbesondere den Automobilherstellern – schaffen, was die Eingangsdaten unserer eigenen Carbon-Footprint-Berechnungen angeht. Kurz, der TfS-Leitfaden sollte idealerweise DER Standard für die Berechnung des Product Carbon Footprints für alle unsere Lieferanten werden.
Wo entspricht die TfS PCF-Richtlinie nicht den Bedürfnissen der Kautschukindustrie und warum?
Wir befinden uns in einem frühen Stadium der Anwendung dieser Richtlinie. Meines Wissens sind bisher keinerlei Defizite oder Unzulänglichkeiten aufgetaucht. Wir begrüßen auch, dass die TfS PCF-Richtlinie durch die TÜV Rheinland Group als unabhängige Zertifizierungsstelle offiziell als übereinstimmend mit dem ISO14067 und GHG Product Protocol Standard zertifiziert ist.
Wo können TfS und wdk zusammenarbeiten? Haben Sie Vorschläge und Empfehlungen?
Im Gegensatz zu unseren früheren Erfahrungen mit anderen CO2-Datenplattformen bei der Erstellung einer Fachdatenbank für Kautschuk und Elastomere war TfS sofort bereit und in der Lage, auf unsere Fragen und Anliegen einzugehen. TfS hat sein Wissen praxisnah an uns weitergegeben. Das ist die Art von Zusammenarbeit, die wir uns gewünscht haben! Aus unserer Sicht könnte es in einem nächsten Schritt hilfreich sein, bei TfS eine Anlaufstelle für verarbeitende Unternehmen einzurichten, damit diese konkrete Fragen zur Anwendung des TfS PCF-Leitfadens, zur Interpretation seiner Ergebnisse und zu möglichen Schnittstellen mit der PCF-Berechnung in der vorgelagerten Lieferkette klären können.
Inwieweit würden Sie den TfS PCF-Leitfaden für Ihr Netzwerk empfehlen?
In vollem Umfang. Wir benötigen einen verlässlichen Standard, um eine vergleichbare und transparente Grundlage für unsere eigenen Scope 3 PCF-Berechnungen sicherzustellen.