193 Länder weltweit haben sich zur Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen verpflichtet. In Deutschland und Europa erfolgt die Umsetzung dieser Ziele vor allem durch regulatorische Maßnahmen. Ein Beispiel dafür ist das Nachhaltigkeitsziel „Menschenwürdige Arbeit“. In Deutschland gilt seit diesem Jahr das Lieferkettesorgfaltspflichtengesetz, das Unternehmen dazu verpflichtet, Menschen- und Arbeitsrechtsrechtsverstößen in ihrer Lieferkette vorzubeugen und diese zu beseitigen. Auf europäischer Ebene wird aktuell die Corporate Sustainability Due Diligence Directive verhandelt. Der Entwurf für dieses europäische Lieferkettengesetz geht in zwei Aspekten über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus. Erstens berücksichtigt er neben den Menschenrechten auch verstärkt den Umweltschutz. Zweitens erstrecken sich die Sorgfaltspflichten nicht nur auf die vorgelagerte Wertschöpfungskette, sondern erfassen auch nachgelagerte Abnehmer und Endverbraucherinnen und -verbraucher. Die jeweiligen Hersteller sollen für ihre Produkte bis zu deren Lebensende Verantwortung übernehmen.
Typische Kautschukprodukte wie Dichtungen oder Schläuche sind oft Bestandteil von größeren und komplexeren Gütern wie zum Beispiel Autos oder Industrieanlagen. Wo auf der Welt und von wem diese genutzt werden, entzieht sich der Kenntnis der Hersteller der Einzelkomponenten. Die Umweltrisiken, die sich während und am Ende der Nutzungsphase ergeben, sind für die Hersteller einzelner Bauteile nicht einschätzbar. In vielen Ländern gibt es keine zuverlässigen Entsorgungssysteme, wie wir sie in der EU kennen. So werden z. B. in Indien nur gut die Hälfte der Abfälle gesammelt, wie eine Studie der World Bank Group zeigt. Davon landen drei Viertel auf offenen Deponien. Vor dem Hintergrund der durch die Corporate Sustainability Due Diligence Directive vorgesehenen Sorgfaltspflichten lassen solche Zahlen viele Schwellenländer als Absatzmärkte unattraktiv erscheinen.
Dabei können gerade diese Länder einen erheblichen Beitrag dazu leisten, dass wir als globale Gesellschaft die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen erreichen. Bei ihrem Besuch in Saudi-Arabien am 15. Mai 2023 hat sich Außenministerin Baerbock für eine Klimapartnerschaft mit dem Land ausgesprochen, das mit Windenergie den von Deutschland dringend benötigten grünen Wasserstoff produzieren kann. Windkraftanlagen, Elektrolyseanlagen, Wasserstoffspeicherung und -transport – für alle diese Anwendungen sind technologisch anspruchsvolle Komponenten aus Spezialkautschuken notwendig. Oft gibt es für diese Produkte nur wenige Hersteller weltweit, viele davon in Deutschland.
Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen sind globale Ziele. Einzelansätze wie regulatorische Maßnahmen können einen Beitrag zum Erreichen dieser Ziele leisten. Entsprechende Gesetze müssen jedoch ganzheitlich gestaltet werden und dürfen nicht dazu führen, dass ein Fortschritt vor Ort zum Stillstand in einem Drittland führt. Verbesserung in einem Bereich wie z. B. den Menschenrechten dürfen nicht zu einer Verschlechterung in einem anderen wie dem Klimaschutz führen. Damit die Nachhaltigkeitsziele zu einer Chance für möglichst viele Betroffene werden, ist der internationale Dialog unerlässlich. Der wdk bringt sich in diesem unter anderem in der International Rubber Study Group (IRSG) und der Global Platform for Sustainable Natural Rubber (GPSNR) ein.